Gewerkschaftsarbeit in Ungarn

Ein Symbolbild für die Gewerkschaftsarbeit in Ungarn. Wir haben am Freitag in Pécs (Fünfkirchen) in Südungarn ein Organising Seminar gehalten und stattgefunden hat es in einem alten Hotel, in einem großen Billard Salon. In folgendem Artikel möchte ich euch einen Einblick in die Gewerkschaftsstruktur Ungarns geben und wie sie ihre tägliche Arbeit bewältigt.

Die Teilnehmenden waren bunt zusammengewürfelt aus allen möglichen Branchen (Metaller, Bierbrauer, Bus, Bahn, Lebensmittelherstellung, Produktion, Kranbau). Geleitet wurde das Seminar von meinem Host und Kollegen von der UNI-COZZ – Zoltán Sido. Das Hauptthema war Organising und wie man seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mobilisert. Solche Schulungsreihen gibt es im ganzen Land, kommenden Freitag sind wir zum Beispiel in Miskolc.

Eingeladen wurde von MASZSZ (Magyar Szakszervezeti Szövetség – Magyar Szakszervezeti Szövetség (maszsz.hu) – auf deutsch: Ungarischer Gewerkschaftsbund. Die MASZSZ hat laut ihrer Homepage 28 Gewerkschaften in sich vereint. Es gibt weitere ungarische Gewerkschaftsbünde (SZEF, Liga, etc. ). Vereint sind jeweils immer so ca. 100.000 Mitglieder pro Bund. Ganz genaue Zahlen sind aber schwer zu schätzen.

Gerade eine kurze Pause auf dem Seminar

In Ungarn wird stark auf Betriebsgewerkschaftsebene gearbeitet. Wieso? Weil kurz nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Diktatur die Gründung von Gewerkschaften allgemein erleichtert wurde. Wenn du 10 Personen innerhalb eines Betriebes findest, die mit dir eine Gewerkschaft gründen wollen, dann kannst du ohne große Herausforderungen eine Betriebsgewerkschaft gründen. So kommt es auch vor, dass es mehrere Gewerkschaften innerhalb eines Betriebes geben kann.

Dann kommt das große Thema Betriebsrat beziehungsweise auf ungarisch Üzemi Tanács. Anders als in Österreich, ist zwischen Betriebsrat und Gewerkschaft nicht immer eine harmonische Zusammenarbeit möglich. Oft (so wurde es mir erzählt), ist der Betriebsrat in Ungarn, ab dem Zeitpunkt wo er gewählt wurde, eher zum Führungsteam des Unternehmens zu zählen. Das macht die Zusammenarbeit zwischen Betriebsgewerkschaft und Betriebsrat oftmals sehr schwierig.

Hierzu möchte ich noch einen geschichtlichen Kontext geben. Das System wurde in den 90er Jahren explizit aus Deutschland und Österreich als best practice Variante übernommen, war aber für das ungarische System nicht wirklich praktikabel. Heute stehen diese zwei Organe oftmals in direkter Konkurrenz zueinander. Ein positives Beipiel hingegen durfte ich bei der ungarischen Telekom erleben, die zur SZEF gehören. Die haben eine funktionierende Betriebsgewerkschaft, aus der auch der Betriebsrat (Üzemi Tanács) entspringt. Somit arbeiten diese in perfekter Harmonie zusammen. Hier im nächsten Blogbeitrag mehr dazu.

Freistellung

Spannend ist auch wie die Freistellung in Ungarn funktioniert. Pro Gewerkschaftsmitglied wird eine halbe Stunde Freizeit dem Gewerkschfatsvorsitzendenen gegeben. Also bei 160 Stunden Arbeitszeit pro Monat, braucht man 320 Gewerkschaftsmitglieder, damit man voll freigestellt ist. Diese sind der HR mitzuteilen und zu hinterlegen, damit das auch angewendet werden kann.

Anders als in Österreich, gibt es für die GF keine Verpflichtung ein Wirtschaftsgespräch zu führen, oder die Daten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auszugeben. Das bedeutet, ohne tatsächliche Kampfbereitschaft der Mitglieder, gibt es keine Möglichkeit seinen Druck durchzusetzen.

Auf alle Fälle kann ich jetzt schon sagen, dass nach einigen Betriebsbesuchen & Weiterbildungen große Unterschiede zum österreichischen System vorherrschen und es sehr vielschichtige Gründe gibt, warum in Ungarn Gewerkschaftsarbeit wesentlich schwieriger ist, als in Österreich.

Anbei noch einige schöne Bilder aus Pécs